Zum einen möchte ich mit diesem Blog Stigma und Vorurteile gegenüber meiner Krankheit abbauen zum anderen schreibe ich um anderen zu helfen,die vielleicht noch am Anfang solch einer Krankheit stehen,informationen darüber zu bekommen.Aber auch um mit Brainstorming,neue Erkentnisse für mich zu gewinnen,oder vieleicht durch Feedback von anderen Betroffenen neues zu erfahren,freue mich über jeden konstruktiven Kommentar.

Dienstag, 6. Juli 2010

Einleitung
Die Schizophrenie ist die rätselhafteste von allen Krankheiten. Wohl keine ist so lange, so intensiv, nach so vielen Richtungen mit so vielen Methoden untersucht worden wie diese und dabei mit so geringem Erfolg. Erblichkeit wurde vermutet, aber ein Erbgang konnte nicht gefunden werden. Stoffwechselstörungen, Milieuschäden, traumatische Erlebnisse wurden für die Krankheit verantwortlich gemacht, doch stellte sich heraus, dass die jeweiligen Störfaktoren in der Anamnese von Menschen, die an Schizophrenie erkrankt sind, nicht häufiger vorkommen als bei anderen Krankheiten oder bei Gesunden. Außerdem sind schizophrene Symptome denen sehr ähnlich, die durch Rauschmittel hervorgerufen werden, auch solchen, die bei Hirntumor und anderen organischen Hirnschäden vorkommen, und solchen, die bei Müdigkeit auftreten. All dies legt die Vermutung nahe, dass die Symptome der Schizophrenie ein grundsätzliches menschliches Reaktionsmuster sind, welches aus verschiedenen Ursachen entstehen kann. Eine für die Schizophrenie spezifische Stoffwechselstörung muss man nicht annehmen, um die Phänomene zu erklären.




Ganz zu Unrecht werden Schizophrene für Träger einer besonders ungünstigen Veranlagung gehalten. Sie rangieren in der Achtung in unserer Gesellschaft und Wissenschaft niedriger als Verbrecher und Depressive. Doch stets wird berichtet, dass sie in ihrer Jugend intelligent, sensibel, anpassungsfähig und brav waren und über weitere ungewöhnliche Qualitäten verfügten. Besonders fällt die Bravheit auf, im Gegensatz zu Depressiven, die als eher aufmüpfig geschildert werden. Betrachtet man die Sozialisation, so stellt man mit Erstaunen fest, dass sie meist aus einfühlsamen Familien stammen, dass kaum je ein Heimkind schizophren wird.




Sie haben durch spezielle, durchaus positive Anlagen ungewöhnliche Probleme, die sie durch Nachdenken zu lösen versuchen. Dies kann in einen nicht mehr steuerbaren Denkausbruch münden. Ein Vorgang, der von der Wissenschaft nicht verstanden und daher negativ bewertet wird.




Diese Annahme der Wissenschaft bestimmt das Bild der Schizophrenie in der Öffentlichkeit und führt zu einer sehr negativen Einstellung den psychisch Kranken gegenüber. In den Ländern der Dritten Welt, die nicht von der westlichen Wissenschaft dominiert werden, tritt die Schizophrenie so häufig auf wie bei uns, hat aber mehr als doppelt so gute Heilungschancen. Eine neue wissenschaftliche Sicht ist notwendig, die alle diese Erscheinungen erklärt und die schädliche Annahme ausräumt, dass jemand, der an Schizophrenie erkrankt, eine negative Veranlagung in Gehirn und Persönlichkeit in sich trägt.




Heute betrachtet man nicht mehr ausschließlich die vorhandene Störung – der kranke Mensch gelangt mehr und mehr in den Mittelpunkt des Interesses. Knuf und Gartelmann stellen gar die Forderung auf nach einem „positiven Krankheitsmodell“, einem Modell,

„das die Wirklichkeit positiv beeinflussen kann und damit auf das Selbstwertgefühl, das Eigenengagement und letztendlich sogar auf den Verlauf psychotischer Erkrankungen wirkt. Es müsste ein Modell sein, das Betroffene nicht zur Passivität verurteilt, sondern ihre realistischen Einflussmöglichkeiten hervorhebt, ohne sie gleichzeitig unter Erwartungsdruck zu setzen. Ein solches Modell würde Betroffene ermuntern, ihre eigenen Selbsthilfefähigkeiten stärker zu würdigen und zu fördern. Es würde sie nicht zu Opfern, sondern zumindest zu Mitgestaltern ihrer Psychose machen. Psychotisches Erleben wäre nicht zufälliges Produkt eines gestörten Hirnstoffwechsels, sondern hätte eine verrückte Bedeutung. Darüber ließe sich reden: mit Professionellen, mit anderen Betroffenen und mit Angehörigen. Außerdem wäre es unserer Meinung nach der einzige Weg zur Behandlungspartnerschaft, denn Betroffene können nur als Behandlungspartner gewürdigt werden, wenn Professionelle ihnen auch einen Einfluss auf ihre Krankheit zubilligen.“ (2001, S. 18)




Diesen Forderungen entspricht die hier vorgestellte Theorie der Schizophrenie-Entstehung. Sie ist schlüssig und erklärt jedes Detail, das im Zusammenhang mit Schizophrenie auftritt, auch die viel diskutierte Nähe zum Genie. Die Grundannahmen der Theorie gehören zum Diathese-Stress Modell, welches besagt, dass bei der Entstehung einer Krankheit individuelle Veranlagung und Stressfaktoren zusammen wirken. Das gilt für körperliche wie für psychische Erkrankungen. Man geht davon aus, dass die spezielle Veranlagung das Individuum verwundbarer macht, also eine Schwäche ist, die das Eintreten der entsprechenden Krankheit (z.B. Rückenschmerzen oder Depression) erleichtert bzw. anbahnt.




Im Unterschied zu den bisherigen Hypothesen wird keinen Defekt und keine Schwäche zur genetischen Komponente der Schizophrenie erklärt, sondern eine atypische Häufung von guten und starken Charaktereigenschaften, durch die die Betroffenen sich erheblich vom Durchschnitt unterscheiden. Durch die ungewöhnliche Persönlichkeit gerät der/die Betroffene von früher Kindheit an in Disharmonie, oft sogar in Widerspruch zur Umwelt. Die Menschen, die mit ihm/ihr leben, verhalten sich allzu oft ablehnend. Dem Kind fehlen in seiner Umgebung Verständnis und Identifikationsobjekte – die Herausbildung eines harmonischen, akzeptablen Ich wird durch den Mangel an Vorbildern und durch die Nichtübereinstimmung mit potentiellen Vorbildern erschwert, manchmal sehr stark erschwert, oft gelingt sie nicht.




Das Anderssein hat eine komplizierte Notlage zur Folge: Das Kind passt sich an, so gut es geht, leistet in dieser Hinsicht oft Beachtliches und entfernt sich dadurch von seiner ursprünglichen Persönlichkeit. Der Versuch, es allen recht zu machen, führt nach und nach in ein unlösbares Dilemma und zunehmende Verletzlichkeit, denn man kann es nicht allen recht machen. Im Verlauf des Heranwachsens entstehen Ratlosigkeit, Schuldgefühle, depressive Verstimmung und oft schon im Alter von elf oder zwölf Jahren Selbstmordgedanken. Platzt in diese Situation ein schwerwiegendes Ereignis, wie Pubertät, Militärdienst, große Reise, so entstehen zusätzliche Probleme. Die mühsame Balance bricht zusammen und das Denken gerät in Unordnung. Diese Unordnung ist kein Defekt, sondern eine Über- und Fehlfunktion. Der Verstand rast durch viele seiner Möglichkeiten, auch extreme. Der Vorgang ist dem eines Gefühlsausbruchs ähnlich, dauert aber länger – vielleicht weil er nicht wie starke Gefühle mit Aktionen und Erschöpfungsreaktionen des Körpers einhergeht und für die Mitmenschen völlig unverständlich ist. Schon zuvor konnte der/die Heranwachsende sich nicht ausreichend über die anfallenden Probleme mit Eltern und Mitmenschen unterhalten, weil er/sie aus der Norm fiel; das nunmehrige Erleben weicht so weit vom normalen Alltag der meisten ab, dass es in eine Tabuzone gerät und eine Verständigung darüber nicht mehr möglich ist

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