Es gibt bislang keine allgemeingültige Definition für Underachievement oder Minderleistung. Die in der Literatur beschriebenen Definitionen orientieren sich entweder an einer operationalen oder einer konzeptuellen Ausrichtung. Die konzeptuellen Definitionen sind häufig sehr weitgreifend und erfassen auch diejenigen, die lediglich in Teilgebieten unter ihren möglichen Leistungen bleiben. In dem Sinne ist jeder, der weniger leistet, als er kann, als Minderleister anzusehen.
Operationale Definitionen orientieren sich an den Abweichungen von Intelligenzquotienten und Leistungstests. Bei Schülern liegt nach einer solchen Definition Underachievement vor, wenn das IQ-Testergebnis deutlich über dem standardisierten Schulnotenmittelwert liegt.
Die Ursachen für eine Minderleistung bzw. erwartungswidrige Leistung sind nicht eindeutig zu bestimmen, „in den seltensten Fällen [können sie] nur einer einzigen Verursachung zugeschrieben werden.“ [2] Sie liegen vermutlich simultan zum einen auf schulischer Seite (z. B. schlechter Unterricht), auf Seiten der Familie (z. B. Desinteresse am schulischen Fortkommen des Kindes, problematischer Erziehungsstil, überhöhte Leistungserwartung) wie auch auf Seiten des Schülers (z. B. Persönlichkeitsmerkmale wie Angst, Anstrengungsvermeidung). Von der Motivationsstruktur her sind Minderleister eher unterdurchschnittlich leistungsmotiviert, aber überdurchschnittlich auf pädagogische Unterstützung angewiesen.
Ein Motiv für die Minderleistung kann in dem übersteigerten Leistungsanspruch liegen, der kennzeichnend für viele Hochbegabte ist: „Das faktische Leistungsvermögen Hochbegabter hängt wesentlich von der Fähigkeit ab, die Unsicherheit beim Arbeiten und die Unzufriedenheit über die Unvollkommenheit einer abgeschlossenen Arbeit zu ertragen“,[3] schreibt Andrea Brackmann. Danach tun sich die sogenannten „Minderleister“ schwer damit, zwischen ihrer hohen Leistungserwartung und ihrem realen Leistungsvermögen zu vermitteln. Ebenso kann die an vielen Stellen erwähnte Unruhe und Nervosität, die nicht leicht von dem Erscheinungsbild des ADHS zu unterscheiden ist, zu einer Minderleistung führen. Denn sowohl für einige Hochbegabte als auch für Personen mit ADHS gilt, dass die „Reizoffenheit“ und „hohe Sensibilität der Sinne“ die Konzentrationsfähigkeit negativ beeinflussen kann.[4] Mitverantwortlich für eine niedrige Motivation kann auch ein negatives Selbstkonzept sein. Das kann durch eine „einengende, nomierende, entwertende oder ausgrenzende Haltung der Umwelt“[5] oder der Eltern hervorgerufen sein, das kann aber auch, wie Brackmann und Scheidt in ihrer psychotherapeutischen Praxis feststellten, durch ein negatives Selbstkonzept der Eltern verursacht sein. Im Umfeld der Minderleister und Leistungsverweigerer fand sich nicht selten wenigstens ein hochbegabtes Elternteil, das seine eigenen Kapazitäten hartnäckig verdrängte.
Aus guten Gründen raten einige Wissenschaftler dazu, vorsichtig mit dem Begriff „Minderleister“ (oder Underachiever) umzugehen. Dieser führe zu einer wenig hilfreichen Stigmatisierung des Schülers, die vorrangig der Entlastung aller Mitverantwortlichen (Gesellschaft, Schule, Elternhaus) diene.
Wie viele Minderleister identifiziert werden, hängt auch immer damit zusammen, wie man „Minderleistung“ definiert.
In manchen Ratgeberbüchern (und auch in einigen wissenschaftlichen Artikeln) werden bis zu 50 Prozent Minderleister unter den Hochbegabten angegeben. Das ist laut Detlef Rost eine überhöhte Schätzung. Bei einem Mindest-IQ von 130 und bei höchstens durchschnittlicher Schulleistung beläuft sich der statistisch zu erwartende Anteil hochbegabter Minderleister auf lediglich 12 bis 13 Prozent der Hochbegabten [6]. Dies alles gilt in der Annahme, dass Hochbegabung durch den IQ-Test gut erfasst ist.
Das Marburger Hochbegabtenprojekt beschäftigte sich mit der Frage, wie häufig Minderleistung unter hochbegabten Jugendlichen ist. Als Minderleister wurden dabei hochbegabte Jugendliche definiert, die:
die Hauptschule besuchten,
die Realschule besuchten,
das Gymnasium besuchten und dort mindestens einmal sitzengeblieben waren oder die
das Gymnasium besuchten und einen Notendurchschnitt von schlechter als 3,0 hatten.
Unter den untersuchten hochbegabten Schülern wurden ungefähr 15 % Minderleister gefunden.[7]
Kritik [Bearbeiten]
„Das eigentliche Problem hochbegabter Underachiever stellt eine chronische Unterforderung im Unterricht dar, die zu Verhaltensauffälligkeiten führen kann, die nicht als unrealisiertes Begabungspotential, sondern häufig als Verhaltensstörung verstanden werden. Zwar ist nicht jedes auffällige, träumerische, faule, kaspernde oder schulmüde Verhalten ein Zeichen für ungenutzte Begabung oder Talente, doch müssten Lehrkräfte in der Lage sein, zumindest diese Möglichkeit als Erklärung mit heranzuziehen (URBAN 1996). Sonst laufen hochbegabte Underachiever Gefahr einer Schulart zugewiesen zu werden, die ihren Fähigkeiten noch weniger entspricht als die bisherige.“[8]
Siehe auch [Bearbeiten]
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