Intime Einblicke in eine stigmatisierte Krankheit
Dieser Film ist außergewöhnlich: Erstaunlich offen spricht da jemand über eine der schwersten psychischen Krankheiten, die es gibt: Psychose. Es ist ihre eigene Geschichte, die die Berliner Filmemacherin Gamma Bak da erzählt. Sie hat den Film gemacht und ist gleichzeitig Gegenstand ihrer sehenswerten Dokumentation, die aus Interviews, Videotagebüchern und stimmungsvollen visuellen Experimenten montiert ist.
Gamma Bak besuchte nach dem Abitur die Filmhochschule und drehte von 1983 bis 1994 sechs Kurzfilme. Doch die berufliche Karriere bekam 1995 einen schlimmen Knacks, damals war Gamma Bak gerade 30. Die junge Frau hatte ihre erste psychotische Krise. Seitdem wurde die Krankheit chronisch und kippt immer wieder in Akutphasen, die für zwei bis drei Wochen zum völligen Zusammenbruch führen.
Trotzdem hat sich die Regisseurin vor acht Jahren entschlossen, ihre Geschichte in einem autobiografischen Film zu erzählen. Das ist ein nicht zu unterschätzender Verdienst, denn es gibt nicht viele Menschen, die bereit sind, eine Krankheit öffentlich zu machen, die noch immer mit einem enormen Stigma behaftet ist. Die Leistung des Films besteht deshalb vor allem in seiner Offenheit und Intimität. Die Regisseurin traut sich, den Zuschauer an sehr persönlichen und sehr privaten Gefühlen teilhaben zu lassen. So erzählt sie zum Beispiel rückhaltlos von Verfolgungswahn, Panik und Größenfantasien. Und das nicht aus der Rückschau einer Genesenen, sondern mit all den Ängsten, dass sich vielleicht der nächste Schub schon ankündigt, während sie aktuell im Interview versucht, ihre Emotionen zu verstehen.
Es gibt keine politische oder medizinische Botschaft und eigentlich keinen Trost in diesen Betrachtungen, die die Krankheit aus mehreren Blickwinkeln und verschiedenen Zeitperspektiven umkreisen. Es gibt nur den Versuch, die Psychose trotz aller Bedrohlichkeit als Bestandteil der eigenen Geschichte anzuerkennen und damit zu leben, so gut es geht.
Natürlich wird nach Ursachen gesucht, aber der Film liefert keine endgültigen Erklärungen. Die Überlegungen der Freundinnen, des Ex-Partners Dieter Vervuurt (er hat die Kameraarbeit gemacht) und der Familienangehörigen stehen gleichberechtigt nebeneinander. Das ist sachgerecht, denn bis heute ist die Psychose die rätselhafteste der psychischen Krankheiten. Zur Sprache kommen unter anderem familienbezogene Theorien, Entwicklungsstörungen und Probleme im Bindungsverhalten.
Auffällig ist, dass Gamma Bak ihren Film der Mutter gewidmet hat, aber die Mutter selbst nicht darin befragt wird. In einem Interview für das Presseheft erklärt die Regisseurin, dass die Mutter ihre wichtigste Bezugsperson und Stütze in den letzten 14 Jahren seit Ausbruch der Krankheit gewesen sei. Sie respektiere den Wunsch der Mutter, in dem Film nicht vorzukommen.
Schnupfen im Kopf ist gewiss ein Film, der allen Betroffenen und ihren Angehörigen hilft, die Probleme besser zu verstehen, die mit der Krankheit verbunden sind. Er ist auf einer zweiten Ebene auch eine Reflektion über Krisen, die jeden Menschen betreffen können – über die Schwierigkeiten, das Leben selbst in die Hand zu nehmen und dazu zu stehen, dass nicht alles perfekt ist. Gamma Bak entlässt den Zuschauer mit einer durchaus zwiespältigen Zukunftsperspektive. Es kann sein, dass ihr Leben eine Wendung zum Besseren nimmt. Es kann aber auch sein, dass der nächste Zusammenbruch unmittelbar bevorsteht. Eines sollte man bei all der Ungewissheit jedoch nicht vergessen: Gamma Bak hat diesen ästhetisch eindrucksvollen, sehr intimen Film fertiggestellt – das ist in jedem Fall eine bewundernswerte Leistung.
(Peter Gutting)
Gamma Bak besuchte nach dem Abitur die Filmhochschule und drehte von 1983 bis 1994 sechs Kurzfilme. Doch die berufliche Karriere bekam 1995 einen schlimmen Knacks, damals war Gamma Bak gerade 30. Die junge Frau hatte ihre erste psychotische Krise. Seitdem wurde die Krankheit chronisch und kippt immer wieder in Akutphasen, die für zwei bis drei Wochen zum völligen Zusammenbruch führen.
Trotzdem hat sich die Regisseurin vor acht Jahren entschlossen, ihre Geschichte in einem autobiografischen Film zu erzählen. Das ist ein nicht zu unterschätzender Verdienst, denn es gibt nicht viele Menschen, die bereit sind, eine Krankheit öffentlich zu machen, die noch immer mit einem enormen Stigma behaftet ist. Die Leistung des Films besteht deshalb vor allem in seiner Offenheit und Intimität. Die Regisseurin traut sich, den Zuschauer an sehr persönlichen und sehr privaten Gefühlen teilhaben zu lassen. So erzählt sie zum Beispiel rückhaltlos von Verfolgungswahn, Panik und Größenfantasien. Und das nicht aus der Rückschau einer Genesenen, sondern mit all den Ängsten, dass sich vielleicht der nächste Schub schon ankündigt, während sie aktuell im Interview versucht, ihre Emotionen zu verstehen.
Es gibt keine politische oder medizinische Botschaft und eigentlich keinen Trost in diesen Betrachtungen, die die Krankheit aus mehreren Blickwinkeln und verschiedenen Zeitperspektiven umkreisen. Es gibt nur den Versuch, die Psychose trotz aller Bedrohlichkeit als Bestandteil der eigenen Geschichte anzuerkennen und damit zu leben, so gut es geht.
Natürlich wird nach Ursachen gesucht, aber der Film liefert keine endgültigen Erklärungen. Die Überlegungen der Freundinnen, des Ex-Partners Dieter Vervuurt (er hat die Kameraarbeit gemacht) und der Familienangehörigen stehen gleichberechtigt nebeneinander. Das ist sachgerecht, denn bis heute ist die Psychose die rätselhafteste der psychischen Krankheiten. Zur Sprache kommen unter anderem familienbezogene Theorien, Entwicklungsstörungen und Probleme im Bindungsverhalten.
Auffällig ist, dass Gamma Bak ihren Film der Mutter gewidmet hat, aber die Mutter selbst nicht darin befragt wird. In einem Interview für das Presseheft erklärt die Regisseurin, dass die Mutter ihre wichtigste Bezugsperson und Stütze in den letzten 14 Jahren seit Ausbruch der Krankheit gewesen sei. Sie respektiere den Wunsch der Mutter, in dem Film nicht vorzukommen.
Schnupfen im Kopf ist gewiss ein Film, der allen Betroffenen und ihren Angehörigen hilft, die Probleme besser zu verstehen, die mit der Krankheit verbunden sind. Er ist auf einer zweiten Ebene auch eine Reflektion über Krisen, die jeden Menschen betreffen können – über die Schwierigkeiten, das Leben selbst in die Hand zu nehmen und dazu zu stehen, dass nicht alles perfekt ist. Gamma Bak entlässt den Zuschauer mit einer durchaus zwiespältigen Zukunftsperspektive. Es kann sein, dass ihr Leben eine Wendung zum Besseren nimmt. Es kann aber auch sein, dass der nächste Zusammenbruch unmittelbar bevorsteht. Eines sollte man bei all der Ungewissheit jedoch nicht vergessen: Gamma Bak hat diesen ästhetisch eindrucksvollen, sehr intimen Film fertiggestellt – das ist in jedem Fall eine bewundernswerte Leistung.
(Peter Gutting)
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